Auf der Road to Hell -

zur Schattenseite des Hundiversums

Urheber Julia Rehfeld | Lazerta Aussies | veröffentlicht 2023

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Ja es ist mir schwer gefallen, diesen Text einzustellen. Auch wenn sich das manche vielleicht nicht vorstellen können, aber es gibt Menschen, die lieber gerne weniger über solche Themen wissen möchten, weil sie es eh nicht ändern können, wenn es sie betrifft und ihre gelebte Unbeschwertheit mit ihrem tollen Hund, nicht getrügt sehen wollen.

 

Das neue Jahr ist da, Karenzzeiten sind alle abgelaufen, Noema inzwischen kastriert (19.12.22) und auch die letzten Ergebnisse zusammen. Auch der Gentest auf Cobalamin Malabsorption (IGS) bei Noema lieferte das Ergebnis N/N (frei) (09.02.23).

 

Ich habe mir die Zucht dieser wahnsinnig tollen Rasse noch nie leicht gemacht. Ich habe etliche Hunde nie in die Zucht oder rasch wieder aus der Zucht genommen. Man ist als verantwortungsbewusster Züchter absolut abhängig von einem Netzwerk guter Quellen und vom Feedback seiner Welpenfamilien sowie anderen Züchtern. Zum Teil bekommt man gar keine, zu wenige oder verspätete Informationen und am Ende geht es ums Prüfen und Bewerten und dann kocht eben doch jeder sein Süppchen. Wie sich ein Hund wirklich vererbt, sieht man (oft) erst (so richtig) in seiner Nachzucht.

 

Mein Resumée nach fast 15 Jahren ist, dass alle Outcrosse mit von mir gewählten Arbeitslinien nicht optimal verliefen, auch andere Lieblingslinien überzeugten mich nicht. Das liegt mit Sicherheit nicht an den Hunden oder gar deren Linien - es steht mir auch nicht zu darüber zu urteilen. Möglicherweise war es einfach die Kombination, die nicht passte - trotz sorgfältiger Recherche. Dennoch halten Züchter generell jeder Linie oder Rasse und leider auch Menschen, die einem nahe stehen, Infos aus falscher Rücksichtnahme zurück und schneller als geglaubt, ist man mitten auf der Road to Hell. Es gibt einen gleichnamigen ASHGI (Australian Shepherd Health & Genetics Institute) Artikel über eine der schlimmsten Krankheiten beim Aussie, der Epilepsie (https://www.ashgi.org/home-page/genetics-info/epilepsy-other-neurological-issues/epilepsy/the-road-to-hell).

 

Epilepsie meint i.d.R. wiederkehrende, generalisierte, tonisch-klonische Anfälle mit kompletten Bewusstseinsverlust, Grand Mal, Cluster und Serien, sowie Anfälle, die im Status Epilepticus enden können.

 

Erkrankte Hunde können weder alleine mittels Bioresonanz diagnostiziert noch mit Kräutern therapiert werden, benötigen lebenslang Medikamente und medizinsche Betreuung. Neben der Krankheit als solches beeinflusst dies das Leben der Besitzer enorm. Vieles kann Anfälle auslösen, triggern und zumindest im humanmedizinischen Bereich werden weit mehr Ursachen und Hintergründe angenommen, aber die Forschung beim Aussie bringt seit etlichen Jahren keine neuen Ergebnisse hervor. Man hofft weiter auf einen Gentest und jüngst gab eines der größten Forschungslabore bekannt, dass sie genügend Proben sammeln konnten um hoffentlich wieder ein Wegstück zum Gentest zu gehen.  Auch werden keine EEGs bei Hunden gemacht und der idiopathische Restekorb, den die Humanmedizin zu vermedeiden versucht, bleibt erschreckend groß. Beim Menschen werden weit mehr Formen und Gründe gefunden, die Familiengeschichte rückt dabei verhältnismäßig eher in den Hintergrund, während bei Rassehunden von Vererbern die Rede ist und es dadurch in nahezu allen Pedigrees zu Belastungen kommt. Schnell erreicht das einen verschwörungstheoretischen Charakter und gipfelt nicht selten im Züchterbashing. Wenn jetzt also z.B. ein Halbonkel Anfälle hatte, sollte man am allerbesten? „Alle“ sofort aus der Zucht nehmen? Das hieße wirklich (!!!), dass diese Rasse nicht mehr existieren könnte. Eigentlich geht es bei dem Zusammenspiel der Gene um genetische Diversität und Heterozygotie, d.h. Hunde können trotz verschiedener Linien gleicher sein als man glaubt und andersrum.

 

Schon lange geht man beim ASHGI davon aus, dass im Schnitt ein (genetisch) „freier“ Hund mit einem Hund verpaart wird, der im Laufe seines Lebens (mindestens) einmal Epilepsie „bringt“. (Quelle: […] the average level of risk is roughly equivalent to having a parent that produced the disease. ) Der geglaubte „freie“ Elternteil bezieht sich ausschließlich auf Anfallsfreiheit bis zum Tod? Das weiß man also erst NACH der Zuchtkarriere, denn es gibt ja keine aufgeschlüsselten Gene, die man testen kann - „frei“ ist also bis zum Lebensende eine Annahme und belastend hinzu kommt, dass niemand (!) jede Sekunde des Hundelebens an der Seite seines Seelenpartners ist. Darüber hinaus können leichtere Formen & Aussetzer ohne Bewusstseinsverlust mit ketogener (Roh-)Ernährung, einem stressarmen Alltag und durch Verzicht auf Chemiekeulen aus Überzeugung teilweise sogar ein Leben lang gar nicht auftreten, übersehen werden oder in andere Zusammenhänge gebracht werden: Überhitzung, Unterkühlung, Insekten-, Pflanzen-, Umweltgifte, hormoneller Stress oder Eklamsie. Die Veterinärmedizin grenzte bisher ganz klar eine paroxysmale Dyskinesie ab, die weniger dramatisch, sondern eher als störend wahrgenommen wird, meist ohne Medikamente auskommt und selten diese Todesangst hervorruft, die Besitzer um ihren Hund haben, wenn er an Epilepsie erkrankt (ist). Auch der humanmedizinische Bereich unterscheidet die idiopatischen Partialepilepsien und viele weitere Formen. Wodurch auch immer klarer wird, dass es wohl nicht DEN EINEN Gentest für Epilepsie geben wird.

 

Bis zum 6. Geburtstag eines Aussies werden Epilepsien bei Hunden ohne gefundene Ursache als idiopathisch und damit mindestens polygen und umweltfaktoriell eingestuft, aber auch danach darf man nie sicher sein, OB und WIE und WAS sich vererbt hat. Auch wenn es eine sekundäre Epilepsie oder Altersepilepsie ist, können die Ursachen angeboren sein. Bedeutet eigentlich angeboren auch genetisch vererbbar? So einige Tierärzte haben mir das schon mit NEIN beantwortet und auch die Verschmelzung 2er Genome liefert bei 23 Chromosomen (Mensch) über 8 Millionen Möglichkeiten an Rekombination (Hunde haben 39 Paare). Polygenetische Gleichheit ist also nicht leicht herzustellen und wahrscheinlich sind es genau deshalb auch Gott sei Dank meistens Einzelfälle innerhalb eines Wurfes. Bis zum 7. Geburtstag hatte ein Zuchthund je nachdem, ob Rüde oder Hündin, aber wohl mindestens 2 Würfe, deren Nachkommen bereits wieder in der Zucht eingesetzt wurden/werden könn(t)en. In vertretbarer Realität ist das 6. Lebensjahr für die meisten Hündinnen aber schon das Zuchtaustrittsalter und die Mehrheit hatte da bereits 3 Würfe, Rüden meist bis dahin schon die doppelte Wurf-Anzahl. Egal mit welchen Zahlen man hantiert, es sollte klar werden, dass man im Bereich der nicht testbaren Krankheiten nicht wirklich vorbeugen kann. Man kann Rüden eher spät (ab 5) in die Zucht nehmen und nach den ersten Würfen der Hündinnen eine größere Pause machen. Aber nichts davon schützt zuverlässig und auch gerade das extrem reduzierte Decken gibt am Ende wirklich keinen Aufschluss darüber wie stark und ob ein Hund überhaupt wirklich Epilepsie weitergeben hat. Im Gegenteil, es wird von außen weiter forciert immer mehr Hunde auszuschließen und vielleicht sogar die völlig Falschen in der Zucht zu belassen, nur weil diese sich seltener fortgepflanzt haben und im russischen Revolverroulette gewannen.

 

Wie also soll man sein Zuchtprogramm nachhaltig aufbauen können? Jeder ordentliche Züchter klärt über die Risiken auf und niemand kann alles wissen. Im Internet ist man schnell umgeben von Stimmungsmachern, die selten lange genug oder überhaupt in einem Rahmen züchten oder gezüchtet haben, der dann auch noch repräsentativ ist (ab etwa 100 Nachkommen mit bereits erfolgter Zuchthygiene -> damit meine ich engmaschige Kontakte zu seinen Familien - möglichst ein Hundeleben lang) und dennoch glauben sie ganz fest an ihre Propaganda, die meistens nur zur Folge hat, dass niemand offen mit diesem Thema umgeht.

 

In meinen ersten 5 Jahren z.B. habe ich fast keine schwerwiegenden Fehler „produziert“ außer der schlechten Hüfte von Stella im Outcross und ein Canini-Fehler bei der sehr kleinen Blissi. Natürlich entwickelt man einen gewissen Stolz, wenn die Nachzuchten dann so gesund sind. Doch mal ehrlich aus meiner heutigen Erfahrung ist nach 5 Jahren bei den meisten alles schick, denn die Anzahl der Nachkommen und vor allem deren erreichtes Alter ist nicht repräsentativ. 5 Jahre bleiben zu kurz für ein nachhaltiges Urteil. Der Zugang zu Informationen ist wie bereits erwähnt spärlich, vieles nur halbwahr und halbgarr und damit weiß man ganz sicher immer nur das, was schwarz auf weiß belegbar ist, berücksichtigt aber vieles mehr, was vom Hörensagen glaubwürdig klingt und macht „das Beste draus“. Also es bleibt leicht zu sagen „Mit Epi hatte ich noch nichts zu tun!“ oder auch allgemeiner „… hatte ich noch nie!“, wenn man gerade die ersten Jahre züchtet oder einfach so (viel) züchtet, dass man eh kaum noch Kontakt zu seinen Nachzuchten hat. Nein, die Leute kommen nicht immer und ja, der Züchter kann auch für vieles gar nichts. Kleinrahmig mit wenigen Würfen weiß man frühestens wenn ein ganzer Lebenszyklus (15 Jahre?) um ist, so in etwa bescheid… aber eben dann vor allem über SEINE EIGENEN Nachzuchten (und Hunde).

 

Was ist wenn man erst Jahre später trotz geglaubtem engen Kontakt erfährt, dass ein Hund auffällig wurde? Zu einem Zeitpunkt auffällig wurde, wo man mit entsprechender Info durch den Besitzer vielleicht noch „mehr“ vermeiden hätte können? Es ist ein Worst-Case-Szenario, mir so ergegangen, deshalb meine Bitte an alle, IMMER (! gleich !) den Züchter zu informieren, denn NIEMAND ist sicher egal wieviel Mühe er sich gibt. Ob es ein „Ausrutscher“ in der Linie ist, obliegt der Beurteilung des Züchters oder Zuchtwarts… Es ist niemand vogelfrei.

 

Ich habe fast 200 Nachkommen (würde ich die Deckakte unserer Rüden mitzählen, wäre es gewiss die doppelte Anzahl) und nur einen vollständig (!) ausdiagnostizierten (!) idiopathischen Epileptiker mit 100% Einsicht in die Befunde. Allerdings hat seine Vollschwester leider inzwischen auch Anfälle. Bei einer Rasse, die eine Epirate von 4% (4 von 100, 1 in 25, 8 bei 200) mit sehr wahrscheinlich viel höherer Dunkelziffer hat, ist das für mich persönlich trotzdem ein Desaster. Auch wenn dieses Schreckgespenst nur ein Baustein im Puzzle aller (nicht testbaren) Krankheiten ist, die nachher den Zuchtwert einer Linie ausmachen, bleibt es in der Gewichtung das Höchste. Schwere HD, ED, OCD, Spondylose, Krebs, frühes Erblinden und ETLICHE weitere (auch anhaltende autoimmune) Erkrankungen oder ein früher Tod erzeugen auch Leid und bedeuten Lebenseinschränkung. Letztlich liegt alles im Empfinden desjenigen, der damit zurechtkommen muss. Erstens der Besitzer, aber zweitens eben auch der Züchter, der sich schnell selbst oder in den Augen der Besitzer oder gar Außenstehender als „Verursacher“ sieht/gesehen wird. Man sagt die Hunde spüren den Anfalls nicht und wissen deshalb nicht viel von ihrer Epilepsie.

 

Was also tun, wenn etwas passiert? Selbsverständlich oberste Vorsicht einhalten und selbstverständlich die Elterntiere und Geschwister und teilweise Halbgeschwister niemals in die bzw. sofort aus der Zucht nehmen, allgemein wenn enorme Fehler auftreten und sich diese nicht austesten lassen.

 

Damit man beginnt sich immer neu zu erfinden und man erkennt über die Jahre, dass das Risiko für jeden weiteren Hund was die Epilepsien angeht ziemlich gleich ist und vor allem für jeden neuen/vermeintlich genetisch fremden Hund, den man dazu nimmt AUCH. Späte Zuchteintritte (über 5 Jahre) und lange Pausen haben den Haken, dass man genau deshalb einfach Glück (wie Pech) haben kann und eben kein repräsentatives Bild erhält und sich damit genau genommen auch nicht schützt und Hand aufs Herz: All unsere Importe - Wieviel wissen wir denn überhaupt über deren Eltern, Großeltern, Geschwister und Halbgeschwister? Importe sind doch nicht gesünder, nur weil wir weniger über sie erfahren.

 

Die Nachkommen meiner Rose und ihrer Tochter Rhapzody waren für mich zufriedenstellend - auch in ihren Folgegenerationen! Ich liebe selbstverständlich alle meine Nachkommen, also aus allen Verpaarungen, die ich hervorgebracht habe. Sie sind überwiegend easy-to-train und eager-to-please, gesund bzw. haben eine hohe Lebenserwartung und arbeiten in therapeutischen Bereichen oder laufen im Sport. Mit jeder fremden Blutlinie beginne ich (und jeder andere auch) aber von vorne und kenne die Risiken der Krankheiten, die NICHT testbar sind (!) VORHER (oft nur) durch mündliche Überlieferung oder (im Hinblick auf die erlebten Dinge in 15 Jahren) eben niemals ausreichend, weil es Individuen sind.

 

Für den Moment: Noema ist damit aus der Zucht und alle ihre Nachkommen werden nie eintreten und ich hoffe für Draco und bestenfalls alle Nachkommen auffälliger Würfe, das Gleiche! Denn auch wenn ich mich in diesem Text durchaus kritisch mit dem Thema und der Erblichkeit auseinandersetze, ist die Angst und Sorge um meine Hundekinder und ihre Menscheneltern viel größer und solange es niemand genau weiß, bleibe ich bei der simplen Vermeidungsstrategie durch Aufgabe der Zucht mit Hunden, die erhebliche Fehler gebracht haben. Damit ist das Wichtigste gesagt und für die Lazerta Aussies trage ich die Verantwortung und setze diese zu 100% um. Für mich ist das extrem hart, weil ich auch weiß wie viel Sorgfalt in den Stammbäumen steckt und wie sehr ich mir selbst gewünscht hätte, auf Noema weiter aufzubauen. Letztlich ist das aber nicht mal halb so schlimm im Verhältnis zu dem Leid mit dem der Besitzer leben muss, dessen Hund schwere Anfälle bekommt.

 

OFF TOPIC

Neue Ansätze: Ich werde meine Hunde in den nächsten Jahren vermehrt auf genetische Diversität und Heterozygotie untersuchen, weil ich selbst auch die Gesundheit einer Population darin begründet sehe. Und mal ehrlich Gewinnerzielungsabsicht? Den Züchtern wird so oft unterstellt, es ginge ums Geld verdienen. Ganz bestimmt tut es das auch bei manchen, aber ich arbeite 3 Jobs (in organisierter, sehr freier Zeiteinteilung) und meine gesamte Freizeit gilt diesem Hundiversum und ich kann nicht mal im Ansatz sagen, dass es sich finanziell lohnt zu züchten. Ich spreche hier natürlich für mich, einer Person mit hohen Ansprüchen an Aufzucht, Haltung, Nachsorge und einem Abgabepreis, der sich im Kostendeckungsrahmen (für alle Kosten, die zu diesem Hobby gehören) bewegt. Ich spreche davon, dass es viel Geld kostet ein Rudel zu unterhalten, Welpen aufzuziehen und dann und wann frisches Blut (meistens zu enormen Kosten) zu importieren, Zuchttiere zu hohen Kosten umfänglich auszuwerten und seinen Welpenfamilien ein Leben lang das Gefühl von - man ist „immer“ da - zu geben (Kontakt halten, ist aber keine Einbahnstraße!). Das alles und die damit verbundene Zeit - auch die für die (Neu-)Vermittlung von Nachkommen, die man selbstverständlich aus welchen Gründen auch immer (versucht ist) zurückzunehmen, steht in keiner Relation zu den Vermittllungspreisen für einen Welpen.

 

Ich akzeptiere das Schicksal und schweige, ab hier.

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